Künstler in Kaitz (2)

Bild 1Hans Kinder

∗ 1900 Dresden
† 1986 Dresden

 

 

 

Nachdem im letzten „Südhang“ über Horst Gaunitz geschrieben wurde, soll dieses Mal der wohl bedeutendste Künstler der in Mockritz, Gostritz, Altpestitz und nicht zuletzt in Kaitz gewirkt hat – Hans Kinder – vorgestellt werden.


Hans Kinder sagt von sich selbst, er sei „Katalysator seiner Zeit“ und seine Zeit, das waren 86 Jahre des vorigen Jahrhunderts: Hans Kinder wurde am 6. August 1900 in Dresden geboren. Nach Besuch der Grundschule und des Dreikönigsgymnasiums wurde seine künstlerische Laufbahn nach einer zweijährigen Ausbildung (1916/17) an der Kunstgewerbeakademie in Dresden durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Aus dieser Zeit sind leider keine Arbeiten erhalten. 1917 wurde er Soldat, doch bereits 1918 verwundet. Bis 1920 musste er sich in Lazaretten aufhalten. 1921 heiratete Hans Kinder Gertrud Rühle und gründete eine eigene Familie. Seine Tochter Maria wurde geboren, 1923 Sohn Peter. Von 1921 bis zu seinem Lebensende wohnte Kinder in Mockritz in der Münzmeisterstraße 40 zur Miete. Der Lebensunterhalt der jungen Familie wurde vorwiegend durch Hans Kinders Ehefrau mit Näharbeiten verdient. Hans Kinder fertigte in dieser Zeit Scherenschnitte für Notgeldserien (Glauchau, Naumburg, Auerbach usw.). Ein einjähriges Studium als Hospitant am Bauhaus in Weimar 1924/25 und das sich anschließende Studium an der Kunstakademie in Dresden (1925 – 1932) waren weitere Stationen auf dem Weg zum Künstler (Bild 1).


Bild 2Als Meisterschüler Max Feldbauers erhielt er schon nach einem Jahr (1926) ein eigenes Atelier in der Ziegelei in Gostritz (Abb. 2) und wurde Vorsitzender des Studentenrates. Aus seiner „Bauhaus-Zeit“ sind keine Arbeiten erhalten. Aus der Zeit des Studiums ist der Bestand an Aktzeichnungen besonders umfangreich.


Bild 3Kinders einzige auf Leinwand gemalten Bilder stammen ebenfalls aus der „Gostritzer Zeit“. 1929 entstand das Ölgemälde „Straße in Gostritz“ (Abb. 3) Zwischen 1925 und 1932 malte er auch sein einziges Bild vom Amtslehngut in Kaitz, welches allerdings verkauft wurde und sich in unbekanntem Besitz befindet. Dieses „große Gemälde vom Amtslehngut Kaitz“ soll sich nach Aussagen eines Kaitzer Bürgers nach 1945 in der früheren Stadthalle (Nordhalle) - jetzt Militärhistorisches Museum Dresden - im Flur oder Treppenhaus befunden haben. Alle bisherigern Recherchen diesbezüglich bleiben leider erfolglos. Der Geschichtsverein Kaitz e. V. ist dankbar über jeden Hinweis zum Verbleib dieses Bildes. Auf Grund seiner hervorragenden Leistungen während des Studiums erhielt Hans Kinder zweimal den Sächsischen Staatspreis zugesprochen (1928 und 1931). Die damit verbundenen finanziellen Zuwendungen ermöglichten ihm die Fortsetzung des Studiums, das er 1932 im Fach Wandmalerei abschloss. Bis 1939 arbeitete Hans Kinder freischaffend. Vor allem war er als Wandmaler tätig.


Bild 41932 wurde er Mitglied der 1931 gegründeten „Dresdner Sezession“, die allerdings kurze Zeit später von den Nazis wieder aufgelöst wurde. Der „Dresdner Sezession“ gehörten u. a. auch Otto Dix, Glöckner, Dr. Löffler, Bernhard Kretzschmar und Erich Fraaß an (Abb. 4). Die beiden letztgenannten Künstler lebten zeitweise in Gostritz und haben sich auch mit Kaitz in ihrem Werk beschäftigt (z. B. Kretzschmars expressive „Winterlandschaft am Kaitzbach“ von 1916 und Fraaß’ Kaitzer Weiden). Der Zweite Weltkrieg, den Hans Kinder vom zweiten Kriegstag 1939 bis zum Ende mitmachen musste, unterbrach sein Schaffen wiederum für viele Jahre. Einige Zeichnungen aus der Kriegszeit zeigen erschöpfte Soldaten, hoffnungslose Kriegsgefangene und von Bomben zerstörte Häuser, die durch eine Schenkung an das Kupferstich-Kabinett Dresden kamen. Bei einem Kriegsurlaub 1942 in Paris lernte Hans Kinder Picasso persönlich kennen. Er setzte sich darauf hin sehr konkret mit einzelnen Perioden des Werkes von Picasso auseinander. Die Malerei Picassos hatte einen starken Einfluss auf seine spätere Arbeit. Nachdem er im Oktober 1945 aus englischer Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, war Hans Kinder wieder freischaffend in Dresden tätig. Als Atelier diente ihm vorübergehend ein Zimmer in der Isfriedstraße in Altpestitz. 1947 schloss sich Hans Kinder der Dresdner Künstlergruppe „Das Ufer“ an, deren Ziele auch politischer und kunstpädagogischer Art waren. Mit dem Wandbild „Der Tanz“ beteiligte er sich an der großen Wandbildaktion zur II. Deutschen Kunstausstellung 1949 in der Nordhalle. In den Jahren 1952/53 leitete er das Experiment der „Sozialistischen Künstlerbrigade Schloss Rammenau“. Von ca. 1947 - 1968 hatte Hans Kinder Altelierräume im Nebengelass der Gaststätte „Sängereiche“ in der Possendorfer Str. 33 in Kaitz bei Frau Schäfer gemietet. Hier entstanden vorrangig Portraits und ein Auftragswerk für Außig (Die Schützengilde).


Bild 5Aber auch die „Klavierspielerin“ (1964) entstand in dieser „Kaitzer Zeit“ (Abb. 5). Dieses Gemälde ist gewissermaßen ein Schlüsselwerk des Künstlers bezüglich Farbwerten und Figuration. Hans Kinder nutzte vorwiegend Gouachefarbe auf Papier, Zeichenkarton, dünner Pappe oder Sperrholz. Weitere Medien für seine Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle waren: Mischtechnik auf Karton und Papier, Tempera, Deckfarbenmalerei auf Pappe, Öl auf Karton, Graphit, Bleistift, Kreide, Pastell auf Papier. In Folge einer Doppelvermietung musste Kinder leider die lichtdurchfluteten Atelierräume in Kaitz verlassen. Seit 1968 diente ihm dann die eigene Wohnung auf der Münzmeisterstraße 40 in Mockritz auch als Atelier. Im gleichen Jahr, am 10. April, traf er erstmals persönlich Marcel Marceau, den weltberühmten Pantomime, den er bereits 1954 auf der Bühne erlebte. Ihm hat er in der Folgezeit bis 1984 einen Zyklus von Gouachen gewidmet.


Bild 6Ab 1957, also fast 30 Jahre lang, verbrachte Hans Kinder (Abb. 6, 7) die Sommermonate mit seiner Frau im Atelierhaus am Grenzweg in der Künstlersiedlung in Ahrenshoop an der Ost­see. Dort fand er den Ausgleich zu seinem engen Atelier in Dresden auf der Münzmeisterstraße und einen Freundeskreis, der sein Werk mit Verständnis, Bewunderung und Zuspruch begleitete. An der Ostsee malte er vorwiegend Landschaftsbilder. Aber auch verschiedene Tiermotive - einen Frosch, einen Hahn und eine Katze - hat Hans Kinder aufs Papier gebannt. Ihm zu Ehren wurde in Ahrenshoop ein „Hans Kinder Weg“ benannt. Durch den Wiederaufbau des Dresdner Stadtzentrums und auch der in Leipzig und Berlin ergaben sich für Hans Kinder nach 1950 bis ca. 1970 zahlreiche architekturbezogene Aufträge, die ihm als Broterwerb dienten. Auch beginnt er sich in den 1950-er Jahren dem Staffeleibild intensiver zu widmen. Aus den 1960-er Jahren sind einige lithographische Blätter nachweisbar. Hans Kinder war der in farbiger Raumgestaltung und Wandmalerei erfahrene Praktiker. Er brachte seine Talente bei der farbigen Gliederung von Neubauten in Dresden mit ein. Baugebundene Arbeiten entstanden u. a. in „Uhren und Schmuck“-Geschäft und im Treppenhaus des „Café Prag“ am Altmarkt in Dresden sowie in den Gebäuden der ehemaligen ABF (Arbeiter- und Bauernfakultät) und des Dresdner Clubs (im Lingnerschloss).


Bild 7Besonders bedeutungsvoll waren für ihn die komplexe künstlerische Innengestaltung der Leipziger Oper 1958 - 1960, die Projektierungsarbeiten für die Innengestaltung der Semperorper Dresden 1965 und die künstlerische Innengestal­tung der Komischen Oper zu Berlin 1966/67, die Innengestaltung des Hotels „Berolina“ in Berlin und Mosaikgestaltung an Wohnhäusern der ehemaligen Karl-Marx-Allee in Berlin ge­meinsam mit Bert Heller. 1970 gestaltete er das Wandbild „Poem auf Leningrad“ im Interhotel „Newa“ (heute Hotel Mercure) auf der Prager Str. Ein Relief über der Eingangstür eines Wohnhauses auf der Südhöhe stammt ebenfalls von Hans Kinder. Von seinen Studien zu Wandmalereien sind nur wenig erhalten. Auch die Wandbilder selbst kann man heute nicht mehr betrachten.


Bild 8Im September 1981 verstarb seine Frau. „Mein Liebstes“ (Abb. 8) ist die sehr persönliche Hommage, mit der er versuchte, sich die Trauer von der Seele zu malen. In seinen letzten Lebensjahren malte Hans Kinder vorwiegend abstrakte Werke, die meist in schlaflosen Nachtstunden entstanden, in denen er Zuflucht in der Arbeit suchte. Ca. 25 % aller registrierten Werke stammen aus den Jahren 1981 bis 1986 – dem Höhepunkt seines Schaffens. Hans Kinders Widerpart war sein Leben lang sein Tagebuch, das er mit Akribie bis zu seinem Todestag führte. Er machte fast täglich, oft sogar mehrmals am Tage, Aufzeichnungen zu seinem Schaffen. Hans Kinder verstarb am 20. Januar 1986 in Dresden. Sein Urnengrab befindet sich auf dem Friedhof Leubnitz-Neuostra.


Seine Tochter plant in Ahrenshoop eine kleine Gedenkstätte für ihren Vater einzurichten. Hans Kinder hinterließ ein umfangreiches künstlerisches Werk (ca. 1.500 Arbeiten) sowie einen beträchtlichen schriftlichen Nachlass, den die Sächsische Landesbibliothek (archiviert unter Mscr.Dresd.App.2629, 1-672) teilweise schon seit 1983 vom Künstler selbst und nach dessen Tod von seiner Tochter vollständig übernommen hat. Das alles ist eine gute Grundlage für die wissenschaftliche Bearbeitung seines Werkes, die noch zu leisten ist. Vielleicht kommen dabei auch interessante Fakten zu seiner Wirkensperiode in Kaitz zu Tage. Wir hoffen sehr darauf! In vielfältigen Ausstellungen konnten seit 1950 Hans Kinders Arbeiten in Ausstellungen betrachtet werden, so in der KUNSTAUSSTELLUNG KÜHL in Dresden, im Kulturbundhaus und der „Bunten Stube“ in Ahrenshoop, in „Kunst der Zeit“ und im Glockenspielpavillon in Dresden, in der Galerie Mitte in Berlin, der Galerie am Schönhof in Görlitz und in der Neuen Dresdner Galerie, der Galerie Blaues Wunder in Dresden und im Kulturbundhaus Ahrenshoop sowie im der Galerie im Stadtmuseum Dresden.


Die letzte Ausstellung fand anlässlich seines 100. Geburtstages 2000 in Ahrenshoop statt. Seine Bilder befinden sich in nahezu allen Museen Ost- und Mitteldeutschlands und in vielen Privatsammlungen, so z. B. im Lindenau-Museum Altenburg, in der Nationalgalerie Berlin, im Kupferstichkabinett Berlin, in den Staatlichen Kunstsammlungen Cottbus, in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden – Kupferstich-Kabinett und Gemäldegalerie Neue Meister, in der Staatlichen Galerie Moritzburg zu Halle, im Museum der Bildenden Künste in Leipzig und in der Kunsthalle Rostock. Im Internet kann man Kunstwerke, Auktionsresultate und Verkaufspreise der Werke von Hans Kinder in internationalen Galerien und Auktionshäusern der letzten sechs Jahre recherchieren.


Beitrag von Marita Prenzel, Kaitz

(Fortsetzung der Reihe über Künstler in Kaitz im nächsten "Südhang" und hier auf dieser Website)

Quellenangaben:

Abbildungen:

1 Jugendfoto, [5]

2 Ludwig Haller, Hans Kinder und Erich Fraaß im Atelier von Hans Kinder, [3]

3 Straße in Gostritz, 1929, Öl, 90 x 91 cm, [1]

4 Bernhard Kretzschmar, Die Künstler der Dresdner Sezession, 1933, Federzeichnung, [3]

5 Klavierspielerin, 1964, Tempera auf Hartfaser, 85 x 65 cm, Privatsammlung Berlin [3]

6 Hans Kinder, [3]

7 Hans Kinder, [3]

8 Mein Liebstes, 1981, Tempera auf Spanplatte, 69 x 80,5 cm, Staatliche Kunstsammlun­gen Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister, [3]

Quellen:

[1] Hans Kinder - Dresdner Künstler Verband bildender Künstler der DDR, Bezirksvorstand Dresden (Hrsg.) Bautzen: Nowa Doba, Druckerei der Domowina, 1980

[2] Hans Kinder Dresden 1900 - 1986 Ausstellungskatalog 21.08. - 20.09.1986 Galerie M Berlin: Galerie M, 1986

[3] Hans Kinder – Malerei und Zeichnungen anlässlich der Retrospektiv-Ausstellung zum 100. Geburtstag von Hans Kinder im Kunstkaten Ahrenshoop vom 13.08. – 26.09.2000 Berlin: MCM ART Verlag, 2000

[4] Sächsische Zeitung 06./07.08.2005, Seite 18

[5] Erinnerungen seiner Tochter Maria Ryssel

[6] Kaitz 1206 – 2006 Eine Chronik Geschichtsverein Kaitz e. V. (Hrsg.) Dresden: Druckerei & Verlag Hille, 2005.

 

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