Künstler in Kaitz (5)

Bild 1Max Seiffert

∗ 1880 Mockritz
† 1968 Kaitz

 



Max Seiffert, geboren am 1. Oktober 1880 in Mockritz, lebte mindestens seit seiner Eheschließung mit Fräulein Marie Schulze in Kaitz, Boderitzer Straße 88. Als die jungen Leute vor dem Ersten Weltkrieg eine Wohnung suchten, wurden gerade die sogenannten Stadthäuser gebaut und man riet ihnen, sich doch an den Gemeindevorsteher, Herrn Lecker, zu wenden. Der wohnte damals oberhalb von Kaitz, im Hause Nöthnitzer Straße 31 (heute Bannewitzer Straße). Im Oktober 1913 konnten sie dann einziehen.

Max Seiffert stammte aus einer Familie mit mehreren Kindern. Mehrere seiner Brüder lebten in Kaitz. Der Vater hatte einst eine Butterhandlung inne und besaß das Haus Boderitzer Straße 95, in dem zu unserer Kindheits- und Jugendzeit Frau Emma Ringel ihr „Biedschen“ hatte.

Wir lernten Max Seiffert näher kennen, als er sich nach dem Tod seiner Frau Anfang der 1950er Jahren unserer Familie angeschlossen hatte, da wir ein Stockwerk unter ihm wohnten. Solange seine Frau noch lebte, kam tagsüber oft ihre Schwägerin, die Frau von Paul Seiffert, der Hausmann für alle sechs „Stadthäuser“ war, in unser Haus, um sie zu besuchen. Sobald sie sie nicht in ihrer Wohnung fand, ging sie mit lautem Rufen „Marie!“ durch Haus und Keller. Was wir aus Max Seiffert’s Leben wissen, stammt aus Anekdoten, die er uns, oder in unserer Gegenwart in den 1950er Jahren erzählte.

Aus seiner Kindheit
Um 1890 kam das Skifahren allmählich auch als Volkssport in Sachsen auf. In einer lokalen Zeitung stand seinerzeit zu lesen, daß man nur über die Südhöhe hinwegsteigen müsse, um die Kaitzer Buben auf Faßdauben (die sie sich unter die Schuhe gebunden hatten), die Hänge hinabfegen zu sehen. Es ist allerdings nicht überliefert, ob der Junge Max unter ihnen war.

An der Kaitzer Schule lehrte seinerzeit auch Oberlehrer Rosenbaum. Der hatte sich, fortschrittlich veranlagt, ein Hochrad zugelegt. Mit dem fuhr er auch nach Bannewitz hinauf. Von dort zurückkehrend, nahm er bei „Rothens Häuser“ die Füße von den Pedalen und raste den „Kirschberg“ hinab, die heutige Possendorfer Straße. Da das Hochrad weder über effektive Bremsen verfügte, noch Rosenbaum mit Autoverkehr zu rechnen brauchte, konnte er, wahrscheinlich den Geschwindigkeitsrausch genießend, am Zschaukegraben vorbeirasend, sich dann allmählich auf der Possendorfer Straße Richtung Schmiede ausrollen lassen.

Zu Max Seiffert’s Schulzeit war die Prügelstrafe noch als „pädagogische Maßnahme“ gang und gäbe. Als eines Tages ein Lehrer auf die Idee kam, einen kräftigen Bauernburschen höheren Schuljahres auf diese Weise „erziehen“ zu wollen, entriß ihm dieser den Stock und warf ihn in hohem Bogen über die Schülerschar der Klasse in den hinteren Teil des Klassenzimmers. Aus war es mit der Autorität!

Als Handwerksgeselle auf Wanderschaft
Bild 2In den 1890er Jahren hatte er in Freital-Potschappel Porzellanmaler gelernt. Anschließend wollte er sich, dem noch herrschenden Brauche gemäß, auf Wanderschaft begeben. Max hatte vor, zur Porzellanmanufaktur in Nymphenburg bei München zu gehen. Seine Verwandten rieten ihm jedoch mit dem Worten: „Du wärrsdschdurrni uff durr Lanndschdraohße rummsieln!“ davon ab, diese Wanderung in der klassischen Weise zu absolvieren. So also fuhr er mit dem Zuge dorthin. Von seiner Nymphenburger Zeit kündet noch eine Postkarte.

Die Zeit in München Nymphenburg
Im Münchner Hofbräuhauskeller ging es seinerzeit furchtbar laut zu, nicht nur wegen der vielen Gäste, Max Seiffert an seinem Arbeitsplatz in der Porzellan-Manufaktur in Freital-Potschappel. Die Aufnahme entstand in seinen letzten Arbeitsjahren. die sich lautstark zu verständigen versuchten, sondern auch, weil die Schankknechte mit Holzhämmern an die großen Fässer wummerten, die an der Hinterwand nebeneinander auf Böcken ruhten. Zapfen unter Kohlensäureflaschendruck gab es damals noch nicht. das Bier mußte unter seinem eigenen Kohlensäuredruck aus dem Zapfhahn laufen. Das ging um so langsamer, je leerer das Faß wurde. Durch das Schlagen mit großen Holzhämmern an Fasses Stirnseite wurde dann erneut Kohlensäure aus dem Bier freigesetzt, der Druck im „Gasraum“ stieg, und der köstliche Gerstensaft rann wieder mit stärkerer Intensität. 

Ausflüge in die Münchener Umgebung
Wenn er und Mitgesellen am Sonntag zu Gastwirtschaften in der Umgebung auszogen, kamen sie am Königsschlosse Nymphenburg vorbei. Da konnten sie dann immer sehen, wie aus einem Fenster der als psychokrank geltende König Ludwig II. mit schwarzem Schaufelbart herausschaute und aus dem daneben sein Leibarzt Dr. Schleiß. Im zeitigen Frühjahr war es dortzulande üblich, in Biergärten vor die Stadt, zum sogenannten „Salvator-Ausschank“ hinauszuziehen. Wenn man dann im Biergarten ankam, lag zum Teil noch Schnee auf den Tischen, den man mit dem Arm erst beiseite schieben mußte.

Gambrinus platzte die Blase
Zu einem Festumzuge in Dresden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fuhr auch ein Festwagen der Felsenkeller-Brauerei mit. Auf einem großen Bierfasse saß dabei „Biererfinder“ König Gambrinus, der allen Zuschauern an der Straße mit seinem Bierkrug zuprostete. Später wurde erzählt, ihm sei infolge unmäßigen Biergenusses während des Umzuges die Blase geplatzt.

Spaß auf der Arbeit
Bild 3Zu Fastnacht leistete sich einer seiner Malerkollegen einst Folgendes: Die Porzellanmaler saßen in ihrem Arbeitsraum an ihren Arbeitstischen hintereinander etwa wie einst die Schüler in ihren Bänken. Der vordem „Übeltäter“ sitzende Maler hielt dabei seine Füße so unter der Sitzbank nach hinten, daß ersterer ihm die Absätze von hinten gelb anmalen konnte. Die Kollegenschar, die das mitbekommen hatte, war dann voll heimlicher Schadenfreude, als sie ihren Kollegen zu Feierabend auf die Straße treten und dort mit seinen leuchtend gelben Absätzen dahinschreiten sah.

Weg zur Arbeit im Alter
So lange wir Max Seiffert kannten, arbeitete er in Potschappel. Er ging jeden Morgen zu Fuß über den damals noch existierenden „Langen Rehn“ zur Haltestelle „Fußweg nach Kaitz“ der Straßenbahnlinie 11, um nach Plauen hinunterzufahren und dann weiter nach Freital. Auf dem Langen Rehn blies, vor allem in der winterlichen Zeit, oft ein frischer Wind. In diesem Zusammenhang pries er die Erfindung der Krawatte (Schlips), die das Eindringen des Windes ins Hemd und damit auf die Brust verhinderte, weil sie, quasi wie einWindriegel, auf der Hemdknopfleiste lag. Obendrein trank er allmorgendlich vor dem Ausgehen einen Schluck kalten Wassers, um sich für diese alltägliche Natureinwirkung einzustimmen.

Kneipengewohnheiten
Er ging am Sonntag nachmittags oft in den „Ratskeller Kaitz“, um Skat zu spielen. Dafür gab es dort spezielle Spieltische mit kleinen Geldschubladen und Bierabstellfächern unter der Tischplatte. Asche, die beim Rauchen von Zigarette oder Zigärrchen abfiel und dann auf dem Tische lag, wurde mit einen Schwung von Hand und Arm mit den kleinen Finger vom Tische „gewedelt“. Das machte er, zum Leidwesen unserer Mutter, auch bei uns zu Hause, wenn er abends mit am Tische saß und dabei rauchte.

Max Seiffert als Porzellanmaler
Bild 5Aus Verbundenheit mit unserer Familie bemalte er gelegentlich weiße Fabrikate der Porzellanmanufaktur Meißen. Es waren Stücke, die infolge kleiner Fehler als für den Export nicht würdig befunden und deshalb unbemalt an die Bevölkerung verkauft wurden. Von solchen Objekten gelang es unserer Mutter hin und wieder eines zu erstehen. Es haben sich einige der Stücke erhalten, die Max Seiffert damals „nebenbei“ bemalt hat.

Im Loro-Park nahe der Hafenstadt Puerto de la Cruz auf Teneriffa existiert eine umfangreiche Sammlung farbiger Vogelplastiken aus Porzellan. Sie stammen zum größten Teil aus Thüringen und Sachsen, einige davon auch aus der Manufaktur Freital-Potschappel. Aus Erzählungen darf geschlossen werden, daß Max Seiffert auch daran mitgearbeitet hat.

Er verstarb am 17. Mai 1968 im gesegneten Alter von fast 88 Jahren.

Dr. Udo W. Stephan
und Gunter Stephan

Abbildungen:

1 Max Seiffert an seinem Arbeitsplatz in der Porzellan-Manufaktur in Freital-Potschappel. Die Aufnahme entstand in seinen letzten Arbeitsjahren.

2 Postkarte, die Max Seiffert während seines Aufenthaltes in Nymphenburg bei München von seinem Freunde Gustav von einem Ausflug zum Hohen Stein über dem Plauenschen Grunde gesandt wurde, datiert vom 2. Juni 1902.

3 und 4 Eine Vase, bemalt in dem für Max Seifert typischen Blumendekor, der Vasenboden von unten zeigt sein Signum „MS“.

5 Die Gestalt eines Gänsehirten mit seinen Schutzbefohlenen zeigt, daß Max Seiffert nicht nur mit „seinem“ Blumendekor umzugehen verstand, sondern auch malerisch mit Figürlichem des Alltags auf vertrautem Fuße stand.

 

  • Seite drucken
  •     
  • Kontakt
  •     
  • Nach oben
  •