∗ 1925 Dresden
Wir setzen unsere Reihe Künstler aus Kaitz fort. Die erste Begegnung mit dem Künstler Wiegand Tübel begann in seinem Atelier, mit einer Schenkung eines großen Ölgemäldes „Splitterflächen“ (70 mal 50 Zentrimeter) an unseren Geschichtsverein Kaitz e. V. Ich war froh über unser Zusammentreffen, so konnte ich ihn noch einmal in seinem Keller-Atelier, Altkaitz 7, besuchen. Wenige Wochen später zog er mit seiner Frau nach Pesterwitz um. In dem Raum hingen viele Arbeiten von ihm: Drucke, Ölbilder, Federzeichnungen und Aquarelle. Mit dem Umzug hat er auch sein Atelier in Kaitz aufgelöst.
Wiegand Tübel wurde am 24. Juni 1925 in Kleindittmannsdorf bei Pulsnitz in Sachsen geboren und verlebte bis 1942 dort seine Kindheit und Jugendjahre auf dem Lande. Mit 18 Jahren wurde er, wie beinahe jeder seiner Generation, von 1943 bis 1945 zum Wehrdienst einberufen. Als Marinesoldat kämpfte er vor der französischen Kanalküste. Von 1945 bis 1947 war er in englischer Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung kehrt er in seine Heimat nach Kleindittmannsdorf zurück. Der alte Dorfschullehrer Hans Stübner, eine außerordentlich musische Persönlichkeit, war nun sein Nachbar. Als Schulkind brachte dieser ihm das Flötenspiel bei.
Damals beeindruckten Wiegand Tübel die Bilder des Dorflehrers noch nicht. Nun einige Jahre später ist er von dessen Malerei fasziniert und eifert ihm nach – „… indem ich ihm über die Schulter geschaut habe …“, erzählt er. Überwiegend sind in dieser Zeit Landschaften die Motive seines Schaffens. Sein Berufsleben als Meister im Kühlanlagenbau Dresden Anfang der 50er Jahre erforderte den Umzug nach Dresden auf die Bautzener Straße. Später, im Jahr 1967, zog er mit seiner Familie nach Kaitz. Seit 1956 besuchte der Projektant für Kühlanlagenbau den ersten Malzirkel – organisiert durch die Stadt Dresden. Er war sozusagen einer der ersten „Malpioniere“ in der noch im Aufbau befindlichen Stadt Dresden. „Wir trafen uns an der Wilsdruffer Straße. Der Zeichensaal war noch Ruine, wie so vieles in Dresden“, erzählt er. Drei Jahre war er im Zeichenzirkel aktiv. In den kommenden 20 Jahren ruhte die Malerei. Ein vom VEB Baukombinat ins Leben gerufener Malzirkel war der Beginn eines bis heute andauernden Schaffens. Von Frau Christa Schumann, einer Dresdner Malerin und Grafikerin, wurde der Malkreis geleitet.
1980 trat Wiegand Tübel in den Malzirkel des BDVP Dresden ein. Dieser wurde von dem in Dresden bekannten Maler und Grafiker Professor Ernst Fechter geleitet. Während dieser Zeit lernte er mit weiteren Kunstbegeisterten grundlegende Maltechniken: von Öl bis Tempera, Feder bis Aquarell und die verschiedensten Drucktechniken kennen. Es entstanden viele grafische Werke, unter anderem Lithographien sowie Holz- und Linolschnitte. „Das Schöne an unserer Malgruppe war der ausgeprägte, individuelle Stil eines jeden einzelnen“, meint Wiegand Tübel. Seit 1983 zeigte er in Dresden und Umgebung in Personal-und Gemeinschaftsausstellungen seine Werke. Die Motive sind neben Landschaften und Naturgebilden zum Beispiel der Zirkelstein, der Lilienstein und bäuerliche Lebensweisen. „Das Stilleben mit Krug und Wurzel – beide die Ewigkeit symbolisierend – ist für mich eines der schönsten Bilder“, verrät er. Wasser in allen Erscheinungen findet sich in fast jedem seiner Bilder wieder. „Wasser übt für mich eine große positive Anziehungskraft aus, ob als vereiste Landschaft oder als Überschwemmung. Ich denke, meine Marinezeit ist eine Erklärung dafür“, meint Wiegand Tübel.
Die Ostsee und ihre Küste kann man in vielen Varianten, in vielen Darstellungen sehen und so als Urlaubsberichte verstehen. Fragt man ihn nach seinen Vorbildern, antwortet er: „Meine Vorbilder sind die Franzosen, vor allem Paul Cézanne, der eine gute Distanz zur impressionistischen Malerei wählte“. In seinem 40jährigen Malschaffen nahm er an verschiedenen Plenaires teil: In Rathmannsdorf und Schöna (Sächsische Schweiz), Neugersdorf (Oberlausitz) und Sellin (Ostsee).
Die Überschrift eines Zeitungsausschnittes zu seiner Ausstellung in Rothenthal lautet: „Farbenpracht und Realität“. Das ist eine sehr treffende Aussage zu seinen künstlerischen Arbeiten.
In folgenden Ausstellungen wurden seine Werke gezeigt:
· 1983 Bucha, im Zentralen Schu lungsheim (Personalausstellung)
· 1984 Moritzburg bei Dresden, Schloß Moritzburg (Gemeinschaftsausstellung)
· 1985 Dresden-Gorbitz, im „Grünen Heinrich“ (Personalausstellung)
· 1986 Dresden, im VEB Kühlanlagenbau (Personalausstellung)
· 1986 Kleindittmannsdorf, in seinem Heimatort (Personalausstellung)
· 1987 Dresden-Prohlis, im „Stern“ (Personalausstellung) Wolga-Don-Reise (Kosakeninsel) in Öl.
· 1988 Dresden, im Kombinat ILKA Dresden (Personalausstellung)
· 1989 Moritzburg bei Dresden, Schloß Moritzburg (Gemein schaftsausstellung)
· 1995 Rothenthal, im Haus der Be gegnung (Personalausstellung)
· 1996 Olbernhau/Erzgebirge, im Haus der Begegnung (Personal ausstellung)
· 1997 Bannewitz, in der Musik schule (Personalausstellung)
· 1998 Sebnitz, im Haus des Gastes (Personalausstellung)
Die großen Personalausstellungen in den 90er Jahren zeigten Expositionen – mit über 30 Malereien und 15 Grafiken – einen Querschnitt seines Schaffens der vergangen 20 Jahre. Besonders wird die Vielseitigkeit des Dresdener Künstlers Wiegand Tübel hervorgehoben, seine farbenfrohe Gestaltung, aber auch die realistische Darstellung in seinen Werken. Er läßt sich nicht gern auf ein Genre festlegen. Somit hält er für fast jeden Ausstellungsbesucher etwas Interessantes bereit. Nicht nur als Maler, sondern auch als Geschichtsfreund greift er Themen auf, wie zum Beispiel „Auf den Spuren August des Starken“.
Als Abbildungen sehen die Besucher Federzeichnungen vom Dresdener Zwinger, vom Schloß und der Katholischen Hofkirche sowie Schloß Moritzburg. Wer mehr davon sehen möchte, kann in der Besucherzone vom Autohaus TOYOTA einen ganzen Zyklus seiner Arbeiten betrachten. Daher verwundert es nicht, daß er im Jubiläumsjahr 2006 – auch das Kaitzer Jubiläum –, den Geschichtsverein Kaitz e. V. mit dieser großzügigen Schenkung des Bildes „Splitterflächen“ bedachte. Das Bild entstand im Jahre 1985 und zeigt den Blick zur alten B 170 mit Schäfer und Schafherde auf dem heutigen Gelände vom Autohaus NISSAN. Eine wichtige Betrachtung und ein Zeitzeugnis der damaligen Kaitzer Umgebung und Zeitepoche. Sollte sich bald für Kaitz eine eigene Heimatstube fin den lassen, was sehr zu wünschen wäre, bekäme das bereits genannte Ölbild des Kaitzers Künstler Wiegand Tübel einen würdigen Platz.
Monika Marten
Abbildungen:
1 Portraitfoto
2 Selbstportrait, Kohlezeichnung
3 LPG-Getreideernte, Öl
4 Wolga-Don-Reise, Öl
5 Dresdner Zwinger, Federzeichnung
Quellen:
· Zeitungsausschnitt vom 4. September 1995 anläßlich seiner Ausstellung in Rothenthal
· Sebnitzer Zeitung vom 1. April 1998 anläßlich seiner Ausstellung im Haus des Gastes.